Kategorie: Abend
Atelierbesuch
Im Zuge seiner öffentlichen Atelierbesuche machte der Kunstverein Wolfsburg in der letzten Woche bei mir Station.
Der Raum füllte sich bis an seine bescheidene Grenze, die mit ca. 25 Personen in meinem Atelier erreicht war. Zum Glück war es an diesem Tag noch nicht so heiß wie die Tage danach, sonst hätte ich Wasser in die Menge versprühen müssen, wie auf diesen Konzerten, bei denen man vor der Bühne steht und keinen Platz mehr zum Umfallen hat, während die Sonne auf die Häupter brät.
Rosas Traum war noch einmal aufgebaut, in der nun 3. Version und erwartete die Gäste im Garten. Die ersten Auflösungserscheinungen an den Stühlen zeigen sich. Dieses ist dem Wetter geschuldet, dem die Installation im letzten Jahr über die Monate an der freien Luft ausgesetzt war.
Es war spannend, mal wieder vor Publikum das eigene Arbeiten live zu reflektieren. Die beiden Moderatoren Daniela Guntner vom Vorstand des Kunstvereins und Dr. Justin Hoffmann als Geschäftsführer haben meine sprachlichen Verschachtelungen und Abschweifungen, denen ich doch manchmal beim Erzählen unterliege, für die Zuhörer in verständliche Bahnen gelenkt. Als der letzte Gast ca. 2 Stunden nach Ende des Gesprächs meine präparierten Arbeitsräume zufrieden verlassen hatte, schob ich das Umräumen, damit die reale Arbeitssituation wieder hergestellt wird, auf den nächsten Tag.
Verstehen
Wieder hängt die Frage in der Luft, nach dem Sinn, nach dem was denn nun zu sehen ist. Mit dem Stellen dieser Frage rutsche ich mittlerweile nicht mehr unsicher auf meinem Stuhl, an dem ich mich das letzte Jahr so abgearbeitet habe, hin und her und doch frage ich mich still, kann denn diese Frage ernst gemeint sein.
Wann beginne ich mir während des Arbeitens diese Frage zu stellen, eigentlich nie, nicht für mich.
Da ist es dieses Bild und es will heraus und es wird umgesetzt, zwei- oder dreidimensional und dann ist es da, wird freigelassen auf die Fragesteller, doch muss diese, wenn überhaupt Frage, anders lauten, an sich selbst gestellt werden. Was bewirkt es bei mir.
Reinhören in sich selbst. So wie ich in mich hereinhöre und mich manchmal frage, wo kommt es her, dieses Bild. Und wie dieses woher sich ständig verändert, jeden Tag anders oder präziser aussieht. Sich ständig abarbeitet an den Erinnerungen und dem Wissen, den Einflüssen die gerade auf mich wirken.
Eigentlich verstehen ist nicht möglich, ein Annähern vielleicht und sich überraschen lassen, auch von sich selbst.
Parasit
Im Blick zurück habe ich für DICH eine eigene Schublade gefunden. Dort wo es dunkel wird, ganz unten, ganz hinten, selten benutzt. Die Lade für die Spezies, die berechnend und heuchelnd nimmt, ohne zu geben.
Als DU dich mir genähert hast und kurz nach DIR noch ER um mir an eben diesem Platz, die Ankündigung für EUER Tun unterzuschieben. Verstohlen aus der Tasche gezogen, wie ein Geheimnis. Wissend, um die Verfehlung. Gekommen um die eigenen zwei Schubladen zu bedienen, die lediglich die Teilung in Unter- und Übergeordnete enthält. Die vermeintlich Übergeordneten umkreisend wie…na ja, ihr wißt schon.
Ich als Wirtstier war dieses Mal nicht auf der Hut, überwältigt, doch werde ich DIR das nächste Mal gehörig in den Hintern treten. Da kannst DU dir sicher sein, das ist versprochen.
Rauschbilder zweite Performance – überlaufen
Stolpersteine
So wie ich vor einigen Jahren über einen Artikel gestolpert bin, in dem über dieses Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig berichtet wurde, sind mir bei einem Spaziergang durch das nächtlichen Köln, seine ersten STOLPERSTEINE begegnet.
Plötzlich tauchen sie auf, Messingplatten in der Größe eines Pflastersteines vor einem Hauseingang, und rufen Bilder aus der Erinnerung, die ich nur aus Filmen, Büchern und Berichten kenne, die das Leiden der aus diesen Häusern gezerrten Menschen nur ansatzweise beschreiben, da dieses Erinnern aus zweiter Hand geschieht. Aber gerade dieses Wissen um das nicht nachvollziehen Können, der im Nationalsozialismus von Menschen an Menschen verübten Grausamkeiten, macht es um so wichtiger, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Menschen zu Dingen fähig sind, die ausserhalb unserer Vorstellungskraft liegen und jedem Aufkeimen, wie auch immer gearteter Grausamkeit, einen Stolperstein entgegen zu setzen.
Zwei Tage später im Stadion der Aufruf zu Toleranz und gegen Rassismus, beklatscht. Eine Stunde später aus der Menschenmasse hinter mir heraus die Beschimpfung eines japanischen Spielers der eigenen Mannschaft, dünnes Eis.
reife Tomaten
„Wie in Sizilien“ rief meine italienische Nachbarin lachend, als sie mich zu sich unter das Garagendach lockte, damit ich einen Blick in diesen riesigen Topf werfen konnte. Dieser Topf, den sie mit einem überdimensionierten Löffel seit über zwei Stunden bearbeitete und in dem die Tomatensoße für den gesamten Winter vor sich hin kochte. Stolz stand ihr Mann daneben und hörte zu, wie sie mir die Enstehung erzählte, von dem Reifen der 55 Kilo Tomaten, über das Zerkleinern, würzen, bis zu diesem Rühren und dann das Einmachen, um es auch im Winter gut zu haben. Der Mann, mit den Worten, besser als aus der Dose, brauchte mich nicht mehr zu überzeugen, denn schon der Geruch des kochenden Tomatenbreis, der seinen Duft in die Strasse verteilte und der mir schon beim Öffnen meiner Tür in der Nase lag, bedurfte keines weiteren Kommentars.
Und plötzlich war mir das Konzert der wundervollen Etta Scollo, die sich der Erforschung der traditionellen sizilianischen Musik und Lyrik verschrieben hat, aus der letzten Woche in Braunschweig wieder gegenwärtig, die, wenn sie auf die Frage woher sie kommt antwortet, immer nur von der Mafia hört. Eine Mafia, die allgegenwärtig ist, leise und unterwandernd und nicht mehr nur in Italien. Wie sagte Etta Scollo so schön, es wird Zeit, dass auf die Herkunftsfrage und die folgende Antwort ein Leuchten in den Augen des Fragenden erscheint: „Ah, Sizilien, da gibt es doch diese wunderbaren Orangen und die schönen Frauen“ und natürlich wunderbare Musik.
ja – nein – abbrechen
Irgendwie lief es einfach zu flüssig. Die Beschreibung eines geplanten Projektes hat die letzten Tage in Anspruch genommen. Die Zielgerade vor Augen hat mich dann die Konzentration auf die Vorfreude des letzten Speicherns gelenkt und auf die Frage „Wollen Sie die Änderungen speichern“ in das Tal der Tränen geschickt.
Vielleicht lag es auch an dem Schalk, der mir bei der Arbeit auf der Schulter sitzt und sich für einen winzigen Moment in ein Teufelchen verwandelt hat. Wie dem auch sei, das Drücken der Maustaste über dem „nein“ ließ die Tagesarbeit im Nirvana verschwinden und auch nicht wieder herstellen.
Schnell alles aus, nicht drüber nachdenken und in den Laken eingewickelt wegdämmern.
Ich höre schon die Verbessernden, die zeigefingerwedelnd und schnippisch grinsend, sagen werden, du musst doch regelmäßig zwischenspeichern. Habe ich aber nicht und so bleibt mir nichts anderes übrig als nachzusitzen.
Neda
Als ich am Dienstag, es war der 23. Juni, vor meiner Hotelzimmertür die FAZ fand, ahnte ich nichts von dem Artikel, der mich heute zu dem Video führte, mit einem Handy aufgenommen, dass das Sterben einer jungen Studentin in den Straßen von Teheran dokumentierte, die ermordet wurde, von einem Religionswächter am Rande einer Demonstration.
Bei Demonstrationen in Los Angeles sind nun Plakate mit der Aufschrift „I AM NEDA“ zu sehen. Unfreiwillig, brutal aus dem Leben gerissen, wird eine junge Frau zu einer Ikone des Widerstandes, die von ihrem Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht hat, nach einer Wahl, die den Eindruck der Manipulation schon im Vorfeld bestätigt hat, in einem Staat in dem immer noch religiöser Fanatismus, die nach Offenheit strebenden Menschen am Leben hindert.
Nun fallen auf den Teheraner Freitagsgebeten die Worte: „ich rufe die Justiz zu einer deutlichen Konfrontation mit den Anführern dieser illegalen Demonstrationen auf und verlange die Todesstrafe für sie ohne jede Gnade“, die nicht darauf hindeuten, dass im Iran ein Einlenken und eine friedliche Ruhe, die nicht auf Unterdrückung gestützt ist, zu erwarten ist.
Grün-weißer Jubel
Langsam gewöhne ich mich wieder an das normale Arbeiten im Atelier.
Das letzte Wochenende hat mich teilhaben lassen an der größten Performance mit nahezu 100000 Beteiligten, die unsere kleine Stadt in Niedersachsen mit einem Schlag in den Mittelpunkt des Interesses gerückt hat. Unsere Fußballer haben es geschafft, die Deutsche Meisterschaft zu erkämpfen und es ist schön zu spüren, dass es nicht nur militärische Aufmärsche mit Tötungsmaschinen sind, die Menschen dazu bewegen fahnenschwenkend die Welt einen Moment anzuhalten, sondern ein Kinderspiel, dass auch von Großen gespielt werden kann. Ich habe mich mitreißen lassen und ich muss sagen es war einfach toll. Brot und Spiele, einfach bereit sein sich dieses zu gönnen.